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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

8/2012: Ich hab da mal eine Frage

Es könnte sein, dass ich eine ganz gefährliche Passfälscherin bin! Dazu habe ich zwar weder Absicht noch Begabung, aber ich habe mich verdächtig gemacht.

Sollten Sie also ein paar betont unauffällige Herren um mein Haus streichen sehen, wissen Sie jetzt Bescheid.

Eigentlich ist mein Mann schuld. Er brauchte nämlich einen neuen Pass. Das ist in seinem Fall nicht ganz einfach, weil Brite mit österreichischem Wohnsitz, aber wir haben es schließlich geschafft und - voilà - da lag er, der Pass.

So what, werden Sie sagen, ein normaler EU-Pass halt. Weit gefehlt: Zum einen bittet darin kein Geringerer als "Her Britannic Majesty's Secretary of State" um Reisefreiheit und Schutz für den Passbesitzer. So nobel geht es in meinem - österreichischen - Pass nicht zu.

 

Seite 31, UK

Zum anderen sind die Innenseiten eines britischen Passes richtig schön, schön wie ein Bilderbuch: Seitenfüllende Buntstiftzeichnungen in Blau- und Grüntönen von charakteristischen Landschaften, etwa der Kreidefelsen von Dover, Giant's Causeway, Weltnaturerbe in Nordirland, oder Wales' unaussprechlicher 'Penrhyn Gwyr', der wunderbaren Gower Peninsula. Dazwischen allerlei Getier.

 

Seite 22, Austria

Dagegen schaut mein Pass recht ärmlich aus: Unscharfe Wappen der Bundesländer, in düsteren Farben und kaum 15 Millimeter groß. Weder Stephanskirche noch Goldenes Dachl, weder Wachau noch Ennstal. Nun gönne ich den Briten ja ihren schönen Pass, aber warum muss der österreichische so fad sein?

Google führt mich zur Österreichischen Staatsdruckerei, mit vielen Designpreisen für ihre schönen Briefmarken belohnt und außerdem stolz darauf, die Pässe für 40 Staaten* zu drucken. Ich schicke eine email. Zwei Tage später rufe ich an, weil wichtige Leute wahrscheinlich noch nicht Zeit gefunden haben mir zu antworten. Auch der Anruf ist unergiebig, weil offenbar alles furchtbar geheim ist und zuerst die Geschäftsleitung um Erlaubnis zur Beantwortung gefragt wird. Aber man verspricht mir einen Rückruf bis spätestens Freitag. Welcher Freitag?

Ich frage auch gleich im Innenministerium an. Ein kompetenter Herr ruft zurück - "Nennen Sie bitte meinen Namen nicht" - und erklärt mir, dass das Hässliche Nutzen hat: Was beim schnellen Drüberschauen fatal an einen peinlichen Fettfleck erinnert, dient der österreichischen Sicherheit. Die Wappen sind aus lauter winzigen Seitenzahlen zusammengesetzt. Hätte ich mir eine Lupe ins Auge geklemmt, hätte ich es selbst erkannt.

StammleserInnen meines Newsletters erinnern sich sicher an Richard Morton von der britischen Passbehörde, den unsere Standesbeamtin zum 'Sir' geadelt hatte. Der kriegt nun ebenfalls eine Anfrage von mir. In UK ist man offenbar auf das gelungenes Design stolz oder hält mich für minder gefährlich, denn ich bekomme umgehend entsprechende Links.

Das weiß ich nicht, aber man kann ja sicher wen fragen. Also google ich mal ein bißchen: Wer/was/wann entscheidet, wie unser Paß ausschaut? An der bösen EU kann es ja nicht liegen, denn sonst wäre der britische Pass wie unserer. Oder handelt es sich doch wieder einmal um eine Demonstration insulärer Eigenständigkeit?

Seite 26, UK

Sieh da, es gibt ausführliche offizielle Verlautbarungen und sie beweisen sogar Humor: "Wer gerade irgendwo gemütlich in der Sonne liegt und in seinem Pass blättert, wird auf jeder Seite durch Wetter-Symbole an das dunkle und trostlose Wetter zu Hause erinnert."

Nein, Großbritannien ist nicht das einzige Land mit einem ansprechenden Passdesign. Auch die Schweiz hat es geschafft, Fälschungssicherheit mit Schönheit zu kombinieren. Der Graphiker, Designer und 'Kunstmaler' Roger Pfund, Spezialist für Banknoten und Wertpapiere, gestaltete farbenfrohes Artwork rund ums Schweizer Wappen. Jedes davon könnte als Gemälde an der Wand hängen.

http://www.rogerpfund.ch/

"Ein Pass ist ein Pass. Muss er auch schön sein?", motzt ein Leser zum Bericht in der britischen Daily Mail. "Ich wollte, ich hätte auch so einen schönen Pass wie die Schweizer", seufzt hingegen ein amerikanischer Blogger auf einer Design-Plattform im Internet. Und er führt die Vorteile aus: "Die Schweiz ist perfekt darin, sich als Marke zu präsentieren. Kein Wunder, dass sie sogar den simplen Pass dazu benützt, sich und ihr Design-Know-How der ganzen Welt von der besten Seite zu zeigen."

Fällt es nur mir auf, dass der österreichische Pass nicht als Aushängeschild für österreichische Designqualität oder für den österreichischen Fremdenverkehr genutzt wird? Reklamiert der Tourismusverband den Großglockner da hinein, wo andere ihren - noch dazu lächerlich niedrigen - Ben Nevis darstellen? Volksbefragung? BürgerInneninitiative? Nichts dergleichen.

Ich stelle mir vor, wie unser Bundespräsident bei seinen Auslandsbesuchen stolz seinen Pass präsentieren würde. Aber vielleicht hat er ja gar keinen, so wie die britische Queen? Das muss ich jetzt wissen und frage in der Präsidentschaftskanzlei nach. Eine bange Pause. Darf man nach dem Pass des Bundespräsidenten nicht fragen? Ich buchstabiere brav meinen Namen und meine Telefonnummer und freue mich auf einen Rückruf. Der kommt wirklich schnell und der oberste Zuständige ist dran. Bevor er mir antwortet, werde ich nochmals verhört, wer ich eigentlich bin. Ich buchstabiere neuerlich meinen Namen, damit er ihn mit dem am Zettel vergleichen kann, den die Sekretärin vermutlich vor seine Nase gelegt hat.

Ja, der Herr Bundespräsident hat einen Pass, so erfahre ich. Schaut er denn nie hinein, möchte ich fragen, aber das traue ich mich dann doch nicht.

Nachträgliches P.S. Im November 2015 stellte GB seine neuen Pässe vor. Dem Aufschrei ist nur zuzustimmen. Aber es macht die optisch armseligen österreichischen Pässe trotzdem nicht besser.

P.P.S. Die Freude der Österreichischen Staatsdruckerei über Aufträge aus aller Welt wird dadurch getrübt, dass manche Staaten nicht zahlen: Im September 2016 soll das Vermögen von Kosovo gepfändet werden, weil es trotz eindeutigem Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Paris seine Rechnung nicht begleicht.

Meine bisherigen 'Fingerübungen' und Newsletter können hier nachgelesen werden. Ich freue mich, wenn sie weiterverbreitet werden!

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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