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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

12/2013: Brüderchen und Schwesterchen aus dem Teiche

Dezember. Wir Armen müssen ausharren; hier, wo es „so kalt ist, dass die Wolken in Stücke frieren und in kleinen weißen Lappen herunterfallen“; der Märchendichter Hans Christian Andersen liebte offenbar Schnee.

Unsere Störche sind derweil in warmen Ländern, „wo es dreieckige Steinhäuser gibt, die in eine Spitze auslaufen und bis über die Wolken ragen, sie werden Pyramiden genannt und sind älter, als ein Storch sich denken kann“.

Was tun sie dort den ganzen lieben langen Tag? „Man geht im Schlamm und ißt Frösche."

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Im Frühling kommen sie dann zu uns zurück und beginnen mit der Arbeit: Sie wissen, „wo der Teich ist, in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt und sie den Eltern bringt. Die niedlichsten kleinen Kinder schlafen und träumen so lieblich, wie sie später nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern solch ein kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder haben.“

 

Der Zusammenhang ist klar: Je mehr Störche, desto mehr Babies.

Die Mathematiker Matthews und Engel wiesen nach, "dass eine statistisch hochsignifikante Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Geburtenrate in den Ländern Europas besteht." Sie werteten die Zahlen der Brutpaare aus 17 europäischen Ländern aus und folgerten: "Wenn man die Zahl der Störche in einem Streudiagramm gegen die Geburtenzahlen in jedem der 17 Länder einzeichnet, dann lassen sich deutlich Zeichen einer positiven Korrelation erkennen."

Im Detail läßt sich das beispielsweise für das Burgenland zeigen, wie hier auf Christian Fialas Grafik (die Linie mit den roten Punkten symbolisiert die Anzahl der Störche).

 

Aber warum? Ein topografischer Aspekt solcher Korrelationen läßt sich ja noch finden: "In Gebieten mit wenigen Störchen bekommen die Einwohner auch weniger Kinder. Dieser Zusammenhang entsteht dadurch, dass es in ländlichen Gegenden eine höhere Geburtenrate gibt als in Städten und auch Störche in ländlichen Gegenden aufgrund ihrer Ökologie weitaus häufiger sind."

Aber der Verlauf über die Jahre? Matthews und Engels wissen es auch nicht. Sie sagen dazu: "Die empirische Beziehung zwischen der Zahl der brütenden Storchpaare und der menschlichen Geburtenrate in 17 europäischen Ländern liefert ... ein nicht-triviales Beispiel einer Korrelation, die statistisch hoch signifikant ist, sich nicht unmittelbar erklären lässt und kausal doch unsinnig ist."

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Ist ja eigentlich auch nicht weiter wichtig - so lange man weiß, wie man zu üppigen Kindersegen verhindern kann. Beispielsweise mit den Speton-Tabletten, einem Spermicid. Der ‚gefesselte Storch’ konnte allerdings nicht als Warenzeichen geschützt werden, weil die Darstellung nach Ansicht des Patentamtes Mitte der 1920er-Jahre das ‚normale Sittlichkeitsgefühl’ verletzte.

 

Der Hersteller der Spetontabletten wurde schließlich angeklagt, weil er (mit dem gefesselten Storch) für ein Verhütungsmittel geworben hatte. Warum? Empfängnisverhütende Tabletten "sind Gegenstände, die zu unzüchtigem Gebrauch bestimmt sind, da sie zum Gebrauche nicht nur beim ehelichen, sondern auch beim außerehelichen Geschlechtsverkehr geeignet sind und erfahrungsgemäß [gerade] dabei Anwendung zu finden pflegen."

Quellen (soweit nicht bei den Bildern angegeben): H. C. Andersen - Die Störche (1862) / R. Matthews, J. Engel - Der Storch bringt die Babys zur Welt (2001) / Jahresbericht Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel - Der Weißstorch (http://www.nationalpark-neusiedlersee-seewinkel.at/tl_files/images/downloads/infopulte/Weissstorch_72.pdf) / Pharmazeutische Ztg. v. 7. 11. 1928, S1389

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