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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

5/2014: automatus (lat.): aus eigenem Antrieb handelnd

Hamburg Flughafen. Duuuurst!! Der Getränkeautomat will € 2,80 für eine Flasche Wasser. Ich werfe ein: zwei 1-€-Münzen, eine 50-Cent-Münze, eine zu 20 und eine zu 10 Cent. „Ihr Guthaben beträgt 1,80 €“ lese ich auf dem Display.

Hä? Ich habe 2,80 € eingeworfen und will jetzt mein Wasser. Um 1,80 gibt’s aber nichts. Dann will ich wenigstens mein Geld zurück. Ich drücke auf den Retourknopf. Da purzeln sie schon heraus: drei 50-Cent-Münzen, eine zu 20 und eine zu 10 Cent. Das sind nicht meine! Wo bleiben meine beiden 1-€-Münzen? Weg. Verschluckt. Kein Wasser, kein Geld. Nicht einmal beschweren kann ich mich: Auf dem Automaten steht weder eine Gerätenummer noch eine Telefonnummer.

„Hab ich auch schon mal erlebt“, höre ich Sie jetzt sagen.

Umso schlimmer, dann hat es also Methode!

Kaum zu glauben, dass es jemals einen Hype für Münzautomaten gab. Weiß ich auch erst, seit ich Peter Payers Buch* zur Rezension bekam: Bereits seit 1891 ist die Münzprüfung „so verfeinert, dass Gewicht, Durchmesser, Dicke, Härte, Prägung und Ränderung der eingeworfenen Münzen exakt kontrolliert werden konnten.“ Also auf den Getränkeautomaten am Hamburger Flughafen trifft das jedenfalls nicht zu.

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Dabei waren mir Münzautomaten nach der Lektüre von Payers Buch fast schon sympathisch geworden: Zu den ersten gehörte die Personenwaage. Zum 40jährigen Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph wurde im Mai 1888 die große ‚Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung’ veranstaltet, bei der die Besucher erstmals ‚automatische Waagen mit Münzeinwurf’ erproben konnten. „Anders als heute, war die Überprüfung des eigenen Gewichts um 1900 noch weit weniger schambesetzt. Es überwog die Neugier, die Faszination, auf einfache und billige Weise sein Körpergewicht erfahren zu können. Das Wiegen geriet zum öffentlichen Ereignis, bei dem die betreffende Person ihr Aussehen auch visuell überprüfen konnte.“ 

Puchberg am Schneeberg, Niederösterreich

Seither sind die Wiener offenbar Fans dieses Gerätes: „Wohl in keiner anderen Großstadt ist dieses spezielle Straßenmöbel derart präsent. Mehr als 100 Exemplare befinden sich an Straßenbahnhaltestellen, wichtigen Verkehrsknotenpunkten, in zahlreichen Parks und Schwimmbädern.“ Auch außerhalb Wiens werden sie in Ehren gehalten, wie das Foto zeigt.

Stollwerck Schokolade

Die Begeisterung für Münzautomaten ist von den USA nach Europa geschwappt. Pionier war die deutsche Firma Stollwerk, die ihre Schokoladeerzeugnisse in Automaten anbot – und damit sofort berühmt wurde, weit über die Grenzen des Landes hinaus. „Andere Anbieter folgten und mit ihnen eine breite Palette an Produkten und Dienstleistungen, die man künftig über Münzautomaten bezog: von Postkarten und Rasierklingen über Spiele und Unterhaltungsmusik bis hin zu Telefongesprächen. Auch eigene Automatenrestaurants wurden ins Leben gerufen, in Paris, Berlin und München genauso wie in Wien, wo sie etwa am Praterstern und in der Mariahilfer Straße situiert waren.“

Leider ist nicht überliefert, wie damals verfahren wurde, wenn der Automat zwar das Geld genommen aber nichts dafür herausgegeben hat.

 

Die liebenswürdigste Art, mit der offenbar doch sehr fehleranfälligen Technik umzugehen, erlebte ich unlängst in der Österreichischen Nationalbibliothek: Mein japsendes Bedürfnis nach Schokolade blieb unerfüllt, weil mein Geld unwiederbringlich im Automaten festsaß, ohne mir im Austausch den ersehnten Schokoriegel zu bescheren. Die Damen bei der Eingangskontrolle kennen das. Ich war nicht die Erste, der solches widerfuhr. Das Beschwerdeformular liegt schon bereit. Aber es überwindet nicht den nagenden Schokoladewurm. Für ganz schwere Fälle – und offensichtlich war ich so einer – gibt’s eine geheime Lade mit Süßigkeiten, aus der man sich etwas aussuchen darf. Danke, liebe Damen, Sie haben mich gerettet!

*Peter PAYER, Vorwort von Peter PATZAK: Unterwegs in Wien – Kulturhistorische Streifzüge, Czernin-Verlag, Wien 2013, 264 S., ca. 100 Abb.,  ISBN 978-3-7076-0466-5, € 23,00

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