Letzten Sonntag hatte ich Besuch. So ein Hübscher!
Er hatte rotgeringelte Ober- und Unterschenkel, schwarze Knie und schwarze Füße, und das gleich sechsmal: Zwei vorne, zwei in der Mitte, zwei hinten. Gemeinsam genossen wir die Sonne; mein Besucher – oder war es eine Sie? - erkundete das Tischtuch: klettergeeignet, sowie die Plastikklammern, die es bei Wind festhalten sollten: weniger klettergeeignet. Ich sah ihm bewundernd zu, wie zierlich er seine Beine aufsetzte. Ich konnte aber keinen Rhythmus erkennen und überlegte: Wie geht man eigentlich mit sechs Beinen? Wie organisiert man sie, um nicht über die eigenen Füße zu stolpern, was ja sogar uns Zweibeinern gelegentlich passiert. Das Einfachste wäre wohl, im Gleichschritt zu spazieren – links, rechts, links, rechts. Hat er aber nicht.
Um das Rätsel zu lösen, fragte ich Wikipedia: „Sechsbeinige Konstruktionen sind eine ideale Grundlage für statisch stabile Laufroboter. Sie sind damit für die Bewegung in unebenem Gelände geeignet.“ Das kann ich nur bestätigen. Mein Sonntagsgast war zwar kein Roboter, hat das unebene Gelände des Tischtuchs und der Plastikklammern aber bravourös gemeistert.
Wikipedia weiter: „Sechsbeinige Lebewesen laufen als Folgeläufer. Ein Bein folgt (in welcher Reihenfolge auch immer) dem anderen. Es werden zwei Gangarten (Reihenfolge der Beinbewegungen) unterschieden: Beim Tripod-Gang sind zu jedem Zeitpunkt drei Beine am Boden. Beim Tetrapod-Gang sind stets vier Beine am Boden (4 Standbeine, 2 Schwingbeine).“
Leider konnte ich meinen Besucher nicht mehr fragen, wie er es mit dem Gehen hält, denn als ich nach einiger Zeit von meiner Lektüre wieder aufschaute, hatte er sich davon gemacht, still, ohne ein Abschiedswort. Darüber war ich ein bisschen gekränkt.