Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen |
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2/2020: Wahre Schönheiten.Von Rucksack bis Küchenmesser, alles ist designed. Sogar Hörgeräte und Rollstühle schauen nicht mehr so krank aus wie früher. Ausser Medikamentenpackungen. Ihr Aussehen erinnert stark an die Intensivstation im Krankenhaus. Wahrscheinlich aus pädagogischen Gründen, damit wir die Pillen, Kapseln und Dragees nur ja nicht mit Gummibärlis verwechseln und uns einfach so in den Mund stopfen. Ausserdem sind wir ja nur die PatientInnen. Die eigentlichen AdressatInnen - zumindest bei verschreibungspflichtigen Medikamenten - sind ÄrztInnen und das Apothekenpersonal. So berücksichtigen die Verpackungen vor allem die Lagerungsbedingungen in der Apotheke und eine eventuelle Verwechslungsgefahr. Und schließlich will sich auch der Hersteller mit seinem Corporate Design verewigen. Wer chronisch krank auf Medikamente angewiesen ist, zerbricht sich wohl nicht den Kopf über die Gestaltung seiner Lebensretter. Doch haben Medikamente auch etwas mit dem Lebensstil zu tun - beispielsweise mit der Verhütung. Wer sich für die Pille entschieden hat und die Packung möglichst immer und überall mit sich trägt - man weiß ja nie, wo man heute übernachten wird - hätte auch gerne etwas Fröhliches in der Handtasche. Man kann natürlich nachhelfen: Beutel aus Wollfilz, peruanischer Baumwolle oder Plastik, verziert mit einem Rehkitz oder bunten Streifen, mit gestickten Aufschriften ‚Mädelskram', ‚Vergißmeinnicht' oder gar dem erregenden ‚Nimm mich!' sind im worldwide Angebot. Doch es geht noch besser: Damit der argwöhnische Blick in die Handtasche nicht sofort deutlich macht, dass Sie die Pille nimmt - manche Männer wollten lieber ein scheues Reh im Bett haben als eine Partnerin -, steckte einer der Entwickler die Scheibe in eine harmlose Puderdose. Nun gabs kein Halten mehr: Designer durften ran! Dabei handelte es sich nicht um Spielereien, sondern um Maßnahmen, der Konsumentin Wertigkeit und Akzeptanz zu signalisieren und die regelmäßige Einnahme zu fördern. Nichts von den aufgezählten Werten ist bei den heute erhältlichen Pillen zu sehen. Da nützt es auch nicht viel, dass das moderne Pharmamarketing aus der Pille eine beste Freundin machen will - zumindest hinsichtlich der Produktnamen. Der Rest ist wenig aufregend: Karton mit ein paar Farbtupfern, Blister, Beipacktext. Ihr Aussehen signalisiert blanke Ernsthaftigkeit. Bloß nichts Verspieltes oder gar Emotionelles! Das Bemühen um Arzneimittelsicherheit einerseits und um Kostenoptimierung in der Produktion andererseits lassen vergessen, dass es sich eigentlich um die schönste Sache der Welt handelt. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb die Pille von ihrem einstigen Sockel gefallen ist. Meine bisherigen 'Fingerübungen' und Newsletter können hier nachgelesen werden. Ich freue mich, wenn sie weiterverbreitet werden! |
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