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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

7/2017: Bitte anschnallen

Quelle: Air New Zealand

Gerade habe ich mich hinuntergebeugt, um meinen Rucksack unter den Vordersitz zu quetschen.

Da fällt mein Blick auf die Füße meines Sitznachbarn. Sind die aber haarig! (Nein, die von meinem Mann können es nicht sein, denn der sitzt zwei Reihen hinter mir.)

Ich schaue vorsichtig hoch – ist er vielleicht ein Hobbit? Da ich fast täglich neue Berichte aus Mittelerde erhalte – trotz seiner wortreichen Beteuerungen („bei Seite 100 höre ich sicher auf“) arbeitet sich mein Mann gerade zum dritten Mal durch den Herrn der Ringe – sehe auch ich schon überall wundersame Charaktere.

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Andere sind offenbar genau so infiziert, etwa die Verantwortlichen für Sicherheitsinstruktionen bei Air New Zealand. Eines ihrer viel gelobten Sicherheitsvideos wird vom Personal aus Mittelerde präsentiert: Galadriel, Boromir (Eldest Son of Denethor), die Hobbits Merry, Pippin und Frodo, Aragorn (King of the Dunedain), Gimli (Dwarf), Legolas, der böse Sauron, Gollum (Smeagol), Bilbo Baggins, sogar das Pferd Shadowfax hat seinen Auftritt und Gandalf sitzt im Cockpit.

Obwohl man die Sicherheitsanweisungen nach ein paar Flügen schon fast im Schlaf herunterbeten kann, würden Aufregung und Panik den gesunden Menschenverstand möglicherweise blockieren und alles vergessen lassen. Dessen eingedenk bemühe ich mich redlich, den Demonstrationen im Flugzeug auch zum hundertsten Mal aufmerksam zuzuhören: Wie zieht man die Sauerstoffmaske zu sich heran und befestigt sie korrekt über Mund und Nase? Wo ist die Schwimmweste und wir stülpt man sie über? Wann muss man an der Schnur ziehen? Und wo ist eigentlich jetzt der Notausstieg?

Manche FlugbegleiterInnen nehmen das Desinteresse der meisten Passagiere mit Humor, manche mit Ironie: „Wir wünschen allen Passagieren, die zugehört haben, einen guten Flug - und den anderen viel Glück!" Andere singen ihren Text, wieder andere rappen ihn und animieren die Passagiere zum Mitklatschen. Ob das eine einmalige Glanzleistung war oder laufend wiederholt wird, weiss ich nicht, aber hier kann man es anschauen.

Viele Fluggesellschaften vermitteln ihre Sicherheitsdemonstrationen inzwischen per mehr oder weniger lustigen Videoclips; vielleicht hatte das Flugpersonal einfach keine Lust mehr, die ewig gleichen Sprüchlein aufzusagen; vielleicht sollten aber tatsächlich neue Wege gefunden werden, um die Lethargie der Passagiere zu überwinden – wie Air New Zealand mit seiner Mittelerde. Virgin Airlines ist mit seinem Video dagegen ein bisschen übers Ziel hinaus geschossen – bei zuviel Entertainment gehen die Informationen leicht unter.

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Eine der ersten war Niki im Jahr 2009 für den Airbus A319. Niki Laudas bekannte Stimme aus dem Mund der stilisierten Fliege machte die Sicherheitsanweisungen gleich viel spannender und funktionierte überdies als geniales Markenbranding.

Zu den allgemein gelobten Videos gehört auch eines der britischen Thomson Airways: Kleinkinder vermitteln mit großer Ernsthaftigkeit die Sicherheitshinweise; die vierjährige ‚Flugbegleiterin’ Alice sorgt mit anderen Kindern dafür, dass man sich das Video unbedingt bis zum Ende anschauen will. Wie Profis zeigen die Kinder, wo die Notausgänge zu finden sind und wie man sich richtig an- und abschnallt. Man kann sich gut vorstellen, welchen Spaß die Dreharbeiten gemacht haben.

Einen guten Mittelweg zwischen sachbezogen und optisch unterhaltsam habe ich unlängst bei einem Swiss-Flug gefunden: Man begleitet entzückend gezeichnete Figuren und verliebt sich in den kleinen Sohn, einen blonden Strizzi mit cooler Schiebermütze.

Inflight Entertainment Swiss.com
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Vielleicht soll das mehr oder minder Lustige uns darüber hinwegtäuschen, dass die Sicherheitsanweisungen immer umfangreicher werden: Seit eine Passagierin die Fluggesellschaft erfolgreich geklagt hat, weil ihr beim Öffnen der Ablagefächer ein Gepäckstück auf den Kopf gefallen ist, werden wir auf entsprechende Gefahren hingewiesen. Seit auf Flügen Smartphones explodieren, werden wir aufgefordert, auf Erwärmungen derselben zu achten und sie umgehend zu melden.

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Neu und keineswegs sympathisch war mir aber unlängst der Hinweis von Finnair, die Passagiere sollten (gefälligst) auf ihren Sitzen bleiben statt sich zwischendurch auch mal die Füsse zu vertreten oder Freunde in der hinteren Sitzreihe zu besuchen. Mag schon sein, dass sie den FlugbegleiterInnen den Weg verstellen, aber Gesundheit geht vor: „Stehen Sie unbedingt regelmäßig auf und gehen Sie herum, um geschwollene Füsse und Thrombosen zu vermeiden“, raten die Flugmediziner.

Ich wage eine Vorhersage: Sobald ein entsprechender Musterprozess durchgefochten sein wird, wird diese Passage aus dem Sicherheitsvideo verschwinden.

Business Insider UK v. 18. 5. 2017

Bei passender Gelegenheit werde ich einen Flug mit KLM buchen: Vielleicht habe ich ja Glück und werde von Willem-Alexander von Oranien-Nassau geflogen. Aus der Zeitung weiß ich, dass er das langweilige Los als holländischer König mindestens zweimal im Monat unterbricht und als Co-Pilot auf Fokker-Maschinen fliegt. Demnächst wird er auch große Flieger pilotieren, was meine Chancen erhöht. Und sollte er gerade bei meinem Flug am Hof unabkömmlich sein, kann er mir zumindest per Video die Sicherheitsvorkehrungen erklären.

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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