Quellen können sich irren

Ein Beispiel für eine Agnus-Dei-Medaille

Historische Quellen sind wertvoll und lehrreich. Dennoch können sie irren. Die Gründe dafür sind vielfältig: Übersetzungsfehler, Missverständnisse, menschliche Vergeßlichkeit, pure Angeberei ...

 

Ein plakatives Beispiel für einen Irrtum ist der Jahresbericht über den IFA-Kongress im Mai 1956: "The Vatican had planned to decorate Prof. H.H. Knaus/Vienna with the Order of the Holy Lamb for his scientific contribution to mankind. ... The most honourable decoration, the greatest decoration of the Vatican, was never bestowed upon Knaus." Knaus hatte die Audienz nämlich geschwänzt.

 

Die erste Frage lautete, ob ein zuerkannter aber nicht verliehener Orden tatsächlich in der Versenkung verschwindet. Das ist sehr unwahrscheinlich! Ist der Auszuzeichnende verhindert, wird man wohl eine Ersatzform für die Übergabe suchen.

 

Als nächstes ging es darum, etwass über diesen Orden zu erfahren. Doch siehe da, er existiert gar nicht! Doch warum sollte der Kongresspräsident die Geschichte vom Orden erfunden haben?

 

Ein Zufall brachte schließlich den entscheidenden Hinweis, der vom Wiener Diözesanarchiv bestätigt wurde: Es handelte sich um einen Übersetzungs- oder Erinnerungsfehler. Der hohe päpstliche ‚Orden‘ war eine ‚Erinnerungsmedaille‘  und das ‚Heilige Lamm’ ist das ‚Gotteslamm‘.

 

„Ein ‚Agnus Dei‘ ist eine runde oder ovale Scheibe, ursprünglich aus Wachs, später auch aus Metall, mit der Darstellung eines Lammes mit Kreuzfahne [Lamm (lat. agnus) Gottes (lat. Dei)] als Symbol der Auferstehung. Die Weihe dieser Andachtsstücke erfolgte seit dem 8. Jahrhundert jeweils am Karsamstag durch den Archidiakon in der Lateranbasilika, seit Papst Martin V. (1417–1431) war sie dem Papst vorbehalten. Die Medaillen wurden [und werden] vom Papst an Kirchen und Einzelpersonen abgegeben, waren sehr begehrt und wurden ähnlich wie Reliquien verehrt.“ (Johann Weissensteiner)