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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

1/2013: Attention, Mr. Obama!

Was fällt Ihnen ein zum Stichwort ‚Kanarienvogel’? Nein, das ist jetzt kein Psychotest. Nein, Ihr eigener zählt nicht mit. Sonst noch etwas?

Ja, genau! Bergwerk!

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„Fast bei jeder unserer Führungen werden wir nach den Kanarienvögeln gefragt, die von den Bergleuten als Warner vor giftigen Gasen unter Tag mitgenommen wurden“, erzählt Thomas Schmid vom Technischen Museum in Wien.

Dieses Besucherwissen ist seltsam, denn es ist gar nicht sicher, dass so eine Tradition auch in Österreich bestand. Zwar wanderten Tiroler Vogelhändler bereits ab 1600 mit ihren gelben und weißen Kanarienvögeln durch Europa, doch gekauft wurde ihre singende Ware als zutraulicher Zeitvertreib gutgestellter Damen.

Wann genau die Kanarienvögel aus ihren goldenen Käfigen in den dunklen Bergwerksstollen übersiedelten, ist nicht belegt. Bergmännische Erinnerungskultur greift zwar gerne weit in die Vergangenheit zurück; tatsächlich scheint aber erst das schreckliche Kohlengrubenunglück von 1896 in Wales das Aha-Erlebnis gebracht zu haben, dass die Kumpel weder an Sauerstoffmangel noch durch die Wucht der Explosion sterben sondern an einer Vergiftung durch Grubengas (Kohlenmonoxid).

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In wahrhaft aufregenden Selbstversuchen überprüfte der Physiologe John Scott Haldane diese Theorie: Er positionierte seine beiden Kinder vor den Fenstern seines Labors, in denen er samt einigen Kleintieren Grubengas einatmete. Im Bedarfsfall sollten sie die Türen aufreissen.

Als beste Warner erwiesen sich die ewig trillierenden Kanarienvögel. Bereits bei ganz geringen Konzentrationen, die 20fach unter dem menschlichen Grenzwert liegen, klappen sie den Schnabel zu und plumpsen benommen von ihrer Stange.

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Dank Haldanes Forschungen wurden in Großbritannien ab 1911 je zwei Kanarienvögel pro Schacht gesetzlich vorgeschrieben. Auch Rettungstrupps nach Bergwerksunfällen trugen ihre Kanarienvogelkäfige mit sich.

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Für die Bergleute waren die Kanarienvögel weit mehr als nur ‚Gesundheitsinspektoren’; sie sprachen mit ihnen, pfiffen ihnen neue Melodien vor und gaben von ihrem Essen ab. Entsprechend groß war die Trauer, als ab den 1980er-Jahren zunehmend elektronische Warngeräte den Platz der gefiederten Kameraden einnahmen.

Und Obama? Was hat Mr. President mit Kanarienvögeln zu tun? In wenigen Tagen werden wir seine Angelobung bejubeln können, gleichsam eine Mischung aus Volksfest und Oscar-Verleihung. Weil man aber beim zweiten Mal noch mehr bieten muss als beim ersten, werden die Organisatoren wieder tief in der Kiste traditioneller Vorbilder wühlen.

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Jetzt wird’s gefährlich – zumindest für die Kanarienvögel: Bei der Amtseinführung von Obamas Vorgänger Ulysses Grant vor 140 Jahren hatte niemand die Heizung im Saal aufgedreht. Das war fatal für die singende und anmutig herumfliegende Dekoration: Die vielen hundert Kanarienvögel, die ein kreativer Partyveranstalter ausgelassen hatte, erfroren im Flug und fielen - plopp, plopp - auf die Köpfe der Zuschauer.

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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