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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

5/2019: Fussel.

Leider furchtbar unbequem!

Ihr erster Besuch in New York: Woran erinnern Sie sich?

Meine Assoziationen sind High Heels in Violett & Türkis (bald verschenkt, weil unbequem) und ein Wollrasierer. Den Wollrasierer verdanke ich Ellie, bei der ich mich eingemietet hatte. Sie hörte mir zu, wenn ich von meinen Ausflügen zurückkam. Kaum führte ich ihr meinen soeben erworbenen Pullover vor, sauste sie in ihr Badezimmer und brachte einen Wollrasierer. So etwas hatte ich nie zuvor gesehen. Von seinen Fähigkeiten hingerissen, kaufte ich mir auch einen.

Ich muss gerade jetzt an Ellie und meinen ersten New-York-Aufenthalt denken, weil ich die Wollflusen von unseren Pullovern rasiere, bevor ich sie in die wohlverdiente Sommerpause schicke.

Ich staune über die Fusselmenge, die da zusammenkommt. Irgendwie zu schade zum Wegwerfen. Was macht man bloß damit? Vielleicht spendiere ich sie der Firma Mewa im hessischen Immenhausen: In deren Weberei fällt jährlich eine große Menge Baumwollfussel an, die sie zu Dämmmaterial für die Automobilindustrie verarbeitet. Man stelle sich das vor: 72 Tonnen Fussel!

Unser Wollrasierer ist ganz schön fleißig.

Soviel ist es bei unsereins natürlich nicht, aber doch ein erkleckliches Häufchen. Die Zeit zitiert den Selbstversuch einer/s Uttio: Uttio trocknete vier Kilo Wäsche im Trockner und wog alle 20 Minuten die Flusen ab. „Die Flusenrate ging zwar mit der Zeit auf ein Zehntel des Anfangswerts zurück, blieb dann aber konstant. Offenbar werden ständig Fasern von den Textilien abgerieben. Als Uttio die Wäsche wieder feucht machte und erneut trocknete, schnellte der Fusselwert abermals hoch." Das Thema interessierte die LeserInnen, der Artikel erhielt 49 Kommentare. Sie sprachen über eigene Erfahrungen mit flusenden Wäschetrocknern und flusenden Waschmaschinen, sowie das flusen- (und energie-)sparende Trocknen an der Wäscheleine.

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Es handelt sich also um ein weitverbreitetes Problem. Kein Wunder, dass der Markt voll von Geräten zur Beseitigung von Fusseln/Flusen ist. Ein frühes Modell eines Wollrasierers hat es sogar ins Wiener Technische Museum, Abteilung Alltag, geschafft. Die deutsche Amazon-Seite bietet 212 Modelle an, darunter auch Flusenkämme, Fusselbürsten und Fusselrollen. 

Ob unter den KäuferInnen mehr Frauen oder mehr Männer sind weiß ich nicht. Wenn es nach dem Buchautor Helge Jepsen geht, sind Wollrasierer ein typisches Frauenspielzeug. Weitere Highlights seiner Liste sind übrigens Pferde, Kerzen, Wärmeflaschen und Schaumwein. Die Plattform WiseGeek meint hingegen, dass sich der Wollrasierer auch für Männer eignet, speziell für solche in Führungspositionen: "A great gift for an executive who likes to keep clothing looking new."

https://www.madeindesign.de/prod-piripicchio-pulloverrasierer-alessi-refsg76az.html

Helge Jepsen hat sich als Illustration für sein Kapitel über Wollrasierer ausgerechnet das Modell Piripicchio der Firma Alessi ausgesucht. Der Designer dieses drolligen Vogels wird wie folgt gelobt: „Das explosive Talent von Stefano Giovannoni und seine Fähigkeit, das komplexe System der „Gefühlscodes“ auf seine Arbeiten zu übertragen, machen ihn zum Meister des „Super & Popular“ der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts. (Auf so ein Wording muss man erst einmal kommen!) Piripicchio kostet heftige Euro 50. Seine Konsumentenbewertungen sind vernichtend. Mein no-name-Wollrasierer hat übrigens bloß sechs Euro gekostet und funktioniert gut.

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Apropos 'Frauenspielzeug' Schaumwein aka Champagner: Hier sind Flusen von großem Nutzen! Die typischen perlenden Champagnerbläschen entstehen nämlich nur, wenn das Glas zuvor mit einem Tuch ausgewischt wurde oder wenn Flusen in der Luft sind. Denn in diesen Flusen sind winzige Luftmengen eingeschlossen. Trifft die im Champagner gelöste Kohlensäure auf diese Lufteinschlüsse, wird sie dort gasförmig und lässt dadurch die Gasblase in der Faser nach und nach anwachsen. Sobald die Blase das Ende der Faserröhre erreicht, kommt sie frei und steigt nach oben, wobei ein kleiner Teil in der Faser hängenbleibt. Dieser Prozess wiederholt sich, bis keine Kohlensäure mehr entweicht. Dasselbe passiert auch bei Mikrokratzern am Glasrand, weshalb sie von manchen Glasmachern sogar extra in die Champagnerflöte eingraviert werden.

Für sein Alter schaut der Pulli noch ganz gut aus.

Zurück zu Fussel in New York, diesmal mit Doppel-L: 1863 eröffnete der deutschstämmige Milchhändler Jacob Fussell auf der Fourth Avenue nahe der 23. Strasse sein Eisgeschäft. Mehr als zehn Jahre zuvor hatte er in im Örtchen Seven Valleys, nördlich von Baltimore/Pennsylvania die weltweit erste Fabrik für Speiseeis gegründet. Ice Cream wurde ein Hit und Fussell wurde reich.

Bei meinem nächsten New-York-Trip werde ich mit Ellie Eis essen gehen. Ein Foto meines Pullovers bringe ich ihr mit. Trotz Mottenattacke ist er immer noch ganz ansehnlich. Dank ihres Wollrasierers.

P.S. vom 14. Mai 2019: Mit Fusseln kann man sogar Kunst machen, siehe http://krainz-art.com/bildinterpretationen.html und http://krainz-art.com/kontrapunkte-interpretationen-1.html.

Meine bisherigen 'Fingerübungen' und Newsletter können hier nachgelesen werden. Ich freue mich, wenn sie weiterverbreitet werden!

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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