Newsletters, Buchautorin, Journalistin
Aufbau und Bearbeitung von Archiven und Sammlungen
Das emphatische Rufzeichen: O!livenbaum
„Interessieren Sie sich eigentlich für Olivenbäume?“, lautete die Anfrage. „Es gäbe hier Fotos anzuschauen.“
„Nicht wirklich“, war meine erste Reaktion. Ich mag zwar Bäume sehr gern, Kastanien, Buchen, Ahorn, Gingko, aber Olivenbäume scheinen mich abzuweisen. Doch ich wollte nicht unhöflich sein und versprach, vorbeizukommen. „Schon sehr schön“, musste ich zugeben: Olivenbäume zu jeder Tages- und Nachtzeit, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit, blühend, schlafend, knorrig und sich windend.
„Warum soll ich sie mir anschauen?“
„Wir hätten gerne von Ihnen Texte dazu, wir wollen ein Buch machen.“
„Nein, Hilfe, da landen wir doch sofort im klassischen Altertum, das ist mir durch mein humanistisches Gymnasium auf ewig verleidet“, wehrte ich ab.
„Keine Angst, wir wollen weder die Mythen der Antike strapazieren noch das tausendste Kochrezept für Olivenöl beschreiben, wir wollen stattdessen ein Buch, das anders als alle anderen ist.“
Na gut, das war eine Basis, über die man nachdenken konnte.
So setzte ich mich in die Nationalbibliothek und begutachtete Bücherstapel um Bücherstapel über Olivenbäume.
Dann ging ich nach Hause und beschäftigte mich mit anderen Dingen.
Nach einiger Zeit kam eine weitere email: „Haben Sie es sich schon überlegt?“
„Also gut, ich probiere etwas. Wenn es Ihnen und der Fotografin gefällt, mache ich weiter. Wenn es Ihnen nicht gefällt, ist es auch in Ordnung.“
Ich knabberte Olivenkerne ab und legte sie auf meinen Schreibtisch. Ich ging in eine Tischlerwerkstatt und besorgte mir ein Stück Olivenholz. Ich erinnerte mich an mein Biologiestudium und stöberte in den Bücherschränken des Botanikinstitutes.
Zwei Monate nach der Fotobesichtigung schrieb ich:
Ist es purer Trotz?
Trotz - beißend wie ein kalter Wind?
Oder brennend heiß wie die Julisonne?
Vielleicht aber auch: Freiheitswille, Widerständigkeit, Drang nach Unabhängigkeit?
Welcher Drang veranlasst sie, sich selbst zu bestäuben? Statt es zuzulassen wie so viele andere Pflanzen? Um sich nicht auszuliefern? Weder den Bienen noch den Hummeln, auch nicht den bunten Schmetterlingen, nicht den zarten Schwebfliegen, keinem Vogel? Höchstens manchmal den Wind zu Hilfe kommen zu lassen?
Wozu braucht es dann den zarten Geruch der kleinen weißen oder gelben Olivenblüten in ihren hängenden Rispen, wenn da niemand ist, der angelockt werden soll? Ab April erscheinen die Blüten – männlich und weiblich zugleich – Zwitter. Staubgefäße und Fruchtstempel sind gleichzeitig da, bestäuben die Nachbarn.
Der Tribut an den Freiheitsdrang ist hoch: Nur wenige Fruchtstempel können ein Pollenkorn einfangen und ihr Wachstum beginnen.
Unansehnlich sei das Olivenholz
So hart urteilt August H., Weltreisender und Privatgelehrter, 1886. Aber wenigstens schön geadert, fest und dauerhaft und nimmt Politur gut an. Womit es sich vergleichen lässt? Ihn erinnere es noch am ehesten an Weidenholz.
Womit würden Katja und Werner N., Tischlerin und Tischler, es vergleichen? Langes Nachdenken. Am ehesten noch mit Marillen- oder Zwetschkenholz, kommt es zögernd. Weil es genau so kernig ist. Seine Fasern erleben sie als ‚turbulent’. Ist das Tischlerdiplomatie für ‚verdreht’ und ‚bockig’?
Sie würde Olivenholz nicht von anderen Hölzern unterscheiden können, sagt Katja, wenn man ihr die Augen verbindet und sie nur ihre Hände gebrauchen darf. Aber man erkennt sowieso nur wenige Hölzer am Griff. Nur die große Dichte der Fasern und die unglaubliche Härte des Holzes, die könnte sie immer spüren.
Fünf Arbeitsbeispiele schickte ich los. Sie wurden angenommen und ich bekam den Auftrag.
Was habe ich beim Schreiben nicht alles gelernt! Wie man (=Maus) die nahrhaften Olivenkerne knackt, wie und wann Oliven geerntet werden, dass Olivenblätter zum Lederfärben verwendbar sind, wie zermahlene Kerne als Pfefferersatz Verwendung fanden, warum Olivenzweige in der Vase eine Enttäuschung sind, wie viele Oliven täglich gut für die Gesundheit sind und vieles, vieles mehr.
Als alle Texte fertig waren, setzten wir uns zusammen: Die Fotografin Petra Haider, der Buchdesigner Ekke Wolf, die Herausgeber. Schreiben ist ein einsamer Job, aber die Buchgestaltung braucht Teamarbeit.
Zum ersten Treffen brachte ich Ölsardinen mit: Durch meine Recherchen hatte ich gelernt, dass nur hochwertiges Olivenöl aus dem vermeintlichen Campingfutter eine gastronomische Delikatesse macht. Während wir uns über Formate, Auflagen etc. unterhielten, verkosteten wir in Olivenöl eingelegte Sardinen aus Portugal.
Das zweite Arbeitstreffen fand in einer Papierwerkstatt statt: Wir wollten erfahren, ob sich Olivenholz zum Papiermachen eignet. Wir träumten von einem Bucheinband aus Olivenbaumpapier. Geht nicht, stellte sich heraus, die Fasern eignen sich dafür nicht.
Beim dritten Treffen ‚badeten‘ wir in Blautönen: Mit einem hellblauen Fonds wollten wir das Problem lösen, dass der Druck der Fotos sehr weißes, klares, scharfes Papier erforderte, wogegen die Texte den Leser und die Leserin in eine wohlig-poetische Stimmung versetzen wollten.
Und schließlich kamen wir zur allerschwierigsten Entscheidung: Welchen Titel wollen wir unserem Buch über Olivenbäume geben? Vielversprechend soll er sein, nicht banal aber auch nicht kryptisch, dennoch neu und unverwechselbar.
Viele Vorschläge lagen auf dem Tisch, aber keiner überzeugte uns. Denn keiner gab unsere Begeisterung für den Olivenbaum wieder, unsere Hochachtung, unseren Respekt, unsere Freude und unsere Sympathie. Gerne hätten wir gesagt: Oh, ein Olivenbaum! Doch das hätte wiederum nach einem Kinderbuch geklungen.
Aber wir waren der Lösung schon ganz nahe. Wer schließlich den richtigen Einfall hatte wissen wir nicht mehr, vielleicht wir alle zur selben Zeit: O!livenbaum. Das war es, wonach wir gesucht hatten! Das empathische Rufzeichen!
O!livenbaum - Eine Reise durchs Jahr zum Schauen und Lesen. Fotos von Petra Haider, Text von Susanne Krejsa MacManus, Buchdesign von Ekke Wolf.
Das Buch ist im Eigenverlag erschienen und kostet € 29,90. Bestellungen bitte an mich.