Das "Glück" in Lissabon
Jetzt lachen Sie mich sicher aus: Schon beim Kofferpacken in Wien fühle ich Heimweh. Tapfer überwinde ich es und reise gerne und viel. Beispielsweise nach Lissabon. Ständig gibt es Neues zu entdecken. Zumindest am Stadtplan. Ob man dann auch hinfindet ist eine andere Frage. Drei Anläufe haben wir gebraucht, bis wir endlich die Rua Marechal Saldanha 1 im Stadtteil Santa Catarina gefunden hatten, eigentlich ganz nahe unserer Airbnb-Wohnung und leicht erreichbar mit der berühmten gelben Tram Nr. 28.
Kartenlesen sollte man (frau) halt können ;-)

Wer weiß, dachte ich, vielleicht finde ich im dortigen Apothekenmuseum Nahrung für meine verschiedenen Schreibprojekte.
Vor der eindrucksvollen Villa aus dem 18. Jahrhundert mit seinen schmiedeeisenen Portalen, der Freitreppe und den einladenden Sonnenschirmen auf der großzügigen Terrasse mit dem schönen Blick auf den Fluß Tejo geraten die guten Vorsätze allerdings schnell ins Wanken: Warum soll man nicht zuerst im Restaurant 'Pharmacia Felicidade' etwas trinken (und essen), bevor man sich an die geistige Arbeit macht?
Der Blick auf die Getränkekarte bringt die erste Überraschung: Antidot oder LSD? Antivirus oder Anticoagulant? Dieses kommt beispielsweise in einer Dosis von 105 Millilitern und enthält als aktive Substanzen Zubrowka Wodka und Ingwerbier, daneben noch Koriander, Stangensellerie und Ingwerscheiben.
„Alle Aperitifs aus dem Laboratorium Felicidade sind verschreibungspflichtig; bei Unklarheiten bitte die Kellnerin oder den Kellner konsultieren."
Vor sich hin träumend schaut man sich um, plötzlich bleibt der Blick hängen:
Die Rückenlehne der Sitzbank vis-a-vis hat große Ähnlichkeit mit dem Kopfteil alter Krankenhausbetten, sogar die (viel zu) kleinen Räder sind unten dran.
Der weiße Weinkühler schaut wie ein Erste-Hilfe-Kasten von anno dazumal aus; das Besteck wird in einer Metallschale gebracht, die doch wohl nichts anderes als eine medizinische Nierenschale sein kann.



Ja, sagt Susana Felicidade über ihr Restaurant, die Möbel und Einrichtungsgegenstände stammen aus alten Apotheken, Labors, Krankenzimmern, Untersuchungsräumen. Für ihr Restaurantkonzept entwickelte sie die Geschichte der fiktiven Apothekerfamilie Silva, beginnend mit Alfredo Silva, der um 1910 das palastartige Gebäude erbaut und seine Apotheke eröffnet hat, über seinen Sohn, der die Apotheke in den 1950er-/1960er-Jahren um ein großes Labor erweiterte, und endend mit dem Enkel, der den Betrieb in den 1990er-Jahren schließen musste. Aus dieser Phantasiegeschichte erklärt sich die bunte Mischung von Möbeln und Utensilien aus mehr als 80 Jahren.


Die Zusammenstellung und Neu-Verwendung ist sehr witzig und ein wahrer Augenschmaus für jede/n, die/der Spaß an Pharmazie und Medizin hat.
Humor hatten offenbar auch die Verantwortlichen der portugiesischen Apothekervereinigung als Hausherren, die ihr den Zuschlag zu einer so ungewöhnlichen Idee gaben.
Es hat sich gelohnt: Das Essen ist köstlich und die Gäste sind glücklich.

Oh, jetzt habe ich doch ganz vergessen, Ihnen auch von unserem spannenden Besuch im Apothekenmuseum zu berichten.
Macht aber nichts, denn die Geschichte von Odette Ferreiras grüner Jacke kann man hier ebenso nachlesen wie die über das tote Krokodil, den Ausflug ins All und andere Highlights des Museu da Farmácia, Lisboa.