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Wiener Traditionsbetriebe. Ein Stück vom alten Wien.
Man muss kein Nostalgiker sein, wenn man alte Traditionen schätzt und die lange Lebenszeit eines Unternehmens als Gütezeichen versteht. So werden auch jüngere Leserinnen und Leser dieses Buch gerne in die Hand nehmen, wenn sie einfach nur in die Wien-Geschichte eintauchen wollen. Alle zwölf vorgestellten Wiener Firmen sind mindestens mehrere Jahrzehnte alt, die älteste sogar mehr als 200 Jahre: Huber & Lerner (Schreibwaren, gegr. 1901), Kattus (Sekt, 1857), Aida (Konditorei, 1913), JägerTee (1862), Stauds (Marmelade, 1883), M. Maurer (Posamenten, 1863), Anker (Brot, 1891), Nägele & Strubell (Parfümerie, 1880), Walter Weiss (Bürsten, 1944), Franz Leo (Bücher, 1817), Ferdinand Platnik (Spielkarten, 1824), Almdudler (Limonade, 1957).
Die Firmengeschichte wird jeweils auf einer ganzen Textseite zusammengefasst, daran schließt sich ein Reichtum an Bildern an: Alte Preislisten, Werbesprüche, Plakate, Messeauftritte, Blick in die Werkstatt und den Verkaufsraum, Porträts, Auszeichnungen, Fassaden, Firmenautos, Schaufenstergestaltung, Rechnungsformulare, Aktien … Das zu „begucken“ wäre schon eine angenehme Unterhaltung, doch hat die Autorin alle Fotos auch mit sehr informativen Erklärungstexten versehen.
Nicht alles erfordert einen ehrfurchtsvollen Blick, manches ist einfach lustig: Etwa ein Foto von Vater Josef und Sohn Felix Prousek (Aida) mit dem ersten eigenen Auto, wobei der Sechsjährige stolz am Volant sitzt. (S 27) Oder die Werbeeinschaltung von Walter Weiss 1990: „Vatertag muß nicht immer Krawattentag sein. Wie wäre es heuer einmal mit einem Rasierpinsel?“ (S 82) Natürlich dürfen auch Hinweise auf prominente Kunden nicht fehlen: Eine Buchrechnung für den österreichischen Lyriker und Dramatiker Anton Wildgans aus dem Jahre 1920 (S 94), Auftritte der Schauspielerinnen Romy Schneider (für Ankerbrot, 1955) und Claudia Schiffer (für Nägele & Strubell, 1994). In PR-Hinsicht besonders erfolgreich war Almdudler mit Skiweltmeister Karl Schranz (1966), Schlagersänger Vico Torriani (1960er-Jahre) und sogar dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Ebenfalls in Erinnerung gebracht wird ein Werbespruch aus den 1930ern, der von älteren Wienern noch immer gerne verwendet wird: „Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und Ankerbrot."
Zum Schluß darf auch eine kleine Kritik angebracht werden: Der Stil zeigt mitunter Nähe zu Lobhudelei, dabei wäre Marketing-Vokabular gar nicht nötig, um das Buch und die dargestellten Firmen zu schätzen.
Freya Martin: Wiener Traditionsbetriebe. Ein Stück vom alten Wien. Erfurt: Sutton Heimat, 2020, 128 Seiten, 160 Abbildungen, ISBN 978-3-96303-103-8, € 19,99.
Meine Buchbesprechung erschien in den 'Wiener Geschichtsblättern', 3/2022, hrgg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien.
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- Wiener Traditionsbetriebe. Ein Stück vom alten Wien.
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- Lise Meitner – Pionierin des Atomzeitalters.
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- Im Rausch der Kirschblüten (Ausstellung und Buch).
- Ungarländische Zöglinge und Studenten der Wiener Medizinisch-Chirurgischen Josephs-Akademie (Josephinum) 1775-1874.