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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

11/2017: Eine Maulbeere zu Weihnachten.

Foto: Wikipedia. Für Vergrößerung anklicken.

In April 2019 werden wir im Fernsehen großes Theater erleben können: Der greise Akihito, Japans 125. Kaiser, wird nach Jahrzehnten in Pension gehen – ein absolutes Novum.

Auf dem Chrysanthementhron nachfolgen wird ihm sein ältester Sohn, der 57jährige Naruhito, seit 1991 Kronprinz.

Mit Kaiser Akihito wird sich auch seine Frau zurückziehen, Kaiserin Michiko (geb. 1934), seit 1959 mit Akihito verheiratet.


Foto: Stern. Für Vergrößerung anklicken.

Dann werden die beiden endlich mehr Zeit für ihre Hobbies haben: Akihito ist nicht nur ein begeisterter Cellist sondern auch ein international anerkannter Fischforscher, spezialisiert auf die Familie der Grundeln (Gobiidae), mit mindestens 130 Gattungen und etwa 1100 Arten eine der artenreichsten Gruppen der Knochenfische.

                                                                                                                                     

Foto: Bunte

Kaiserin Michiko ist eine Dichterin. Sie erhielt in ihrem wohlhabenden bürgerlichen Elternhaus eine umfassende Bildung sowohl in japanischen Traditionen als auch in westlichen Themen. Bereits in frühen Jahren liebte sie Lyrik – japanische wie westliche - und studierte schließlich an der Universität Englische Literatur.

In ihren Gedichten und Essays verarbeitet sie Eindrücke und Gefühle, Erlebnisse und Beobachtungen, die sie zu Hause im Familienkreis, am Kaiserhof und auch auf den vielen offiziellen Reisen sammelt. Mehrere Gedichtbücher von ihr sind erschienen – bisher leider alle auf Japanisch.

Foto: General-Anzeiger Bonn

Doch endlich haben auch wir deutschsprachigen LeserInnen Gelegenheit, uns an ihren Gedichten zu erfreuen und uns davon berühren zu lassen. Fünfzig ihrer Gedichte wurden von meinem lieben Freund Peter Pantzer, emeritierter Professor der Japanologie, übersetzt und kommentiert. Unter dem Titel Nur eine kleine Maulbeere. Aber sie wog schwer ist die Sammlung kürzlich im Verlag Herder erschienen. Fünfzig kleine Fünfzeiler (so genannte Tankas) zusammen mit dem jeweiligen Original, aufs Schönste kalligrafiert von Ishitobi Hakko, Berater des kaiserlichen Hofamtes in kalligrafischen Fragen.

Der Weg bis zur Freigabe der Übersetzungen war steinig: Sie wurden von einem japanischen Germanisten ohne Kenntnis des Originals zurück in die Ausgangssprache übersetzt, um dann abzugleichen, wie nahe sie der ursprünglichen Version kamen. Gegebenenfalls musste nachgebessert werden. Es brauchte viel Geduld, sowohl vom Übersetzer als auch vom Verlag!

Das Ergebnis ist wunderschön! Ein kleines Büchlein zum Blättern, dank der kurzen Erklärungstexte auch liebenswert für jene, denen Japanisches noch fremd ist. Das namensgebende Gedichtlein stammt aus der Zeit, als sich die junge Kronprinzessin an die Pflichten und Aufgaben im Kaiserhaus gewöhnen musste: “Auf meine geöffnete Hand / legte mir seine Hoheit / die Frucht eines Maulbeerbaums. / Nur eine kleine Maulbeere. / Aber sie wog schwer.“

Andere Gedichte befassen sich mit Privatem, etwa der Geburt ihrer Kinder oder den wissenschaftlichen Studien ihres Mannes: „Wenn ein Aufsatz abgeschlossen ist / gibt mir seine Hoheit / stets einen Sonderdruck. / Die Zahl dieser Sonderdrucke / wächst von mal zu mal.“

Aber es gibt auch hochpolitische Texte (etwa die Sprengung der Buddha-Statuen im afghanischen Bamiyan durch die Taliban 2001), Reflexionen über die Zerstörungen durch Erdbeben, über die Bombe von Hiroshima, die Rückkehr des japanischen Astronauten aus dem All und das Schicksal der Japaner, die in den 1920er- und 1930er-Jahren nach Brasilien auswanderten: "Ihr Einwanderer / die Ihr mutig von so weit / auf Euren Wegen gekommen seid, / wie oft haben die Blüten des Ipê-Baums / für Euch bereits geblüht?"

Man wünscht den beiden alten Leutchen von Herzen noch ein paar schöne gemeinsame Jahre. Michiko hat das viel besser formuliert als ich das kann: "Gemeinsam schreiten wir / den langen Weg. / Der Tag geht zur Neige, / noch schimmert von Ferne am Himmel / ein sanftes Abendlicht."

Meine bisherigen 'Fingerübungen' und Newsletter können hier nachgelesen werden. Ich freue mich, wenn sie weiterverbreitet werden!

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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