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Susanne Krejsa MacManus' Fingerübungen

4/2016: Stadtleben

Mein Bruder und ich.

Als ich zur Welt kam, schämte sich mein fünfjähriger Bruder für mich: „Sie ist eine Wienerin!“ Eine Wienerin zu sein war offenbar eine Schande in einer Familie, die aus der grünen Steiermark nach Wien gezogen war. Beileibe nicht freiwillig, sondern wegen Vaters Job.


Das Rathaus von Wien.
de.wikipedia.org

Vaters Waffe gegen die ungeliebte Stadt war der Spott. Da wir nahe vom Rathaus wohnten, konnte er ausführlich über die stilistische Geschmacksverirrung der Wiener Bürger lästern. Mit bitteren Tränen verteidigte hingegen ich 'mein' Rathaus und ‚meine' Stadt. Jedes Mal, wenn ich durch das Rathaustor ging - ‚dazumals‘ war dort die Städtische Bücherei angesiedelt, ein Eldorado für Leseratten -, dachte ich voller Stolz an das Gedicht von Anton Wildgans (1881-1932), das wir in der Schule gelernt hatten: „Ich bin ein Kind der Stadt – Die Leute meinen / und spotten leichthin über unsereinen / Daß solch ein Stadtkind keine Heimat hat / In meine Spiele rauschten freilich keine / Wälder. Da schütterten die Pflastersteine / Und bist mir doch ein Lied, du liebe Stadt.“

Die Stadt Wien und 'die Wiener' blieben unserem Vater zeitlebens suspekt. Schon beim Essen: Sie geben Zucker in die Salatmarinade, die 'Paradeissuppe' ist nicht ordentlich scharf, wie es sich für eine anständige Tomatensuppe gehört, und sie kannten nicht einmal das grünschwarze Kürbiskern-Öl, das meinen Eltern immer noch nachgeschickt wurde, damit sie in Wien nicht darben mussten. Auch fand er den Verkehr hier sehr gefährlich, weshalb ich mich beim Rad fahren bis heute wie ein ängstliches Huhn an der Stange festklammere. Dass ich auch nicht richtig Wienerisch reden kann, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. Weil ich so ‚schön‘ spreche, denken viele, ich käme aus Deutschland. „Einen angenehmen Aufenthalt noch!“ wünscht man mir öfter, wenn ich mit Unbekannten ins Gespräch komme.

Dir Gratulation des Wiener Bürgermeisters (1994 bis 2018)

Das imposante neugotische Rathaus ist immer noch 'mein', sogar wenn mir der dort residierende Bürgermeister zum Geburtstag gratuliert. Ich bin hin und hergerissen zwischen großer Heiterkeit (Hält er mich für eine Greisin oder wie?) und kochendem Zorn (Was geht ihn mein Geburtstag an? Schon mal was von Datenschutz gehört

Er war übrigens ursprünglich Geckoforscher.

Nein, das meine ich nicht ironisch.

Als promovierter Biologe war Michael Häupl Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums. Damit schlage ich endlich den Bogen zu dem Thema, das ich eigentlich erzählen wollte: Tiere in der Sadt. Der Wiener Dichter Wildgans (schon dieser Name!) hatte nämlich unrecht: Wir haben sehr wohl Wälder in Wien. Und Wiesen. Und Tiere:

Osterluzeifalter aus der Oberen Lobau, Nähe Josefsteg
Quelle: www.wien.gv.at
  • 135 geschützte Schmetterlingsarten
  • 320 Nistplätze für Turmfalken
  • 20 Fledermausarten (von insgesamt 28 Arten in ganz Österreich)
  • 200 Biber in der Lobau
  • 19 Fischarten in der Alten Donau

Initiativen wie die 'Urban Safaris‘ der ‚Wiener Wildnis‘ sind wahre Augenöffner.

A propos 'Augenöffner': Wenn wir uns die Tauben, Motten, Gelsen und Ameisen wegdenken, die sich auch in der Wiener Innenstadt heimisch fühlen, gibt es immer noch genug Getier in 'meiner' Stadt.

 

Man muss nur richtig hinschauen!

Wo? Carla Mittersteig
Quelle: wordpress
Wo? wienerlinien
Wo? Hofer, 1040
Wo? Österr. Nationalbibliothek


Meine bisherigen 'Fingerübungen' und Newsletter können hier nachgelesen werden. Über Weiterverbreitung freue ich mich!

Meine Fingerübungen kommen hin und wieder, wenn ich etwas zu erzählen habe.
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