Susanne Krejsa MacManus

Beppo BEYERL: Die bösen Buben von Wien. Gauner, Strizzis und Hallodris.

Wer sich für historische Kriminalgeschichten interessiert, sollte sich durch den verniedlichenden Buchtitel nicht von der Lektüre abhalten lassen. Der Autor erzählt die Lebensgeschichten von 17 Kriminellen: Schwindler und Betrüger, Banknotenfälscher, Räuber und Mörder, Spekulanten, Einbrecher und Diebe. Vier von ihnen haben ihren Beginn im 18. Jahrhundert, weitere acht im 19. Jahrhundert.

1734 wurde Wolfgang von Kempelen geboren, dessen Geschichte vor allem Schachfans faszinieren wird: Er war der Erfinder des sogenannten Schachtürken. Nachdem Kempelen als Staatsbeamter Pumpensysteme für Bergwerke, Wasserspiele für die Schlossgärten der Adeligen sowie Dampfmaschinen konstruiert hatte, versprach er der Herrscherin Maria Theresia die Entwicklung eines schachspielenden Automaten. Der hölzerne Kasten, den er dem staunenden Publikum präsentierte, enthielt einen komplizierten Mechanismus aus Zahnrädchen und Messinggestängen, der dank Kempelens Kenntnis der Mechanik jedes Schachspiel gewann. Die Zuschauer sahen zu, wie eine hinter dem Kasten stehende hölzerne Figur in Turban, Kaftan und weiten Hosen ihre behandschuhte Hand über das Spielbrett bewegte, die Finger um eine Schachfigur schloss und sie auf einem anderen Feld absetzte. Nach Ende des Zuges rückte die Hand wieder auf das Kissen neben dem Spielbrett zurück und wartete die Reaktion des Spielpartners ab. Die Partie war schnell verloren, denn gegen die schnellen und aggressiven Spielzüge des Automaten hatte niemand eine Chance.

Falls es sich tatsächlich um einen Automaten handelte. Ob Kempelen ein scharfsinniger Wissenschafter oder nur ein Scharlatan war, ein genialer Konstrukteur oder nur ein begabter Schwindler, der in Wahrheit in seinem Automaten einen kleingewachsenen Menschen versteckt hatte, ließ sich niemals klären.

Handwerklich überaus begabt und äußerst kreativ war auch Peter Ritter von Bohr (1773-1846), in 
Luxemburg als Peter Bohr geboren. Als Unternehmer, umtriebiger Geschäftsmann, Mitbegründer der Ersten Österreichischen Spar-Casse - der heutigen Erste-Bank -, und der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft hatte er einen fulminanten gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg hingelegt. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen schienen er und seine adelige Frau gegen wirtschaftliche Probleme gefeit zu sein – bis aufmerksame Kassierer der ‚Privilegierten Österreichischen Nationalbank‘ gefälschte Geldscheine entdeckten. Nach vielen ergebnislosen Recherchen gelang es dem Polizeikommissar Felsenthal, einem Mann von „seltener Menschenkenntnis“ und „fast Grauen erweckender Combinationsgabe“, den Urheber ausfindig zu machen: Peter Ritter von Bohr. In seiner Fälscherwerkstatt im Wasserschloss Kottingbrunn, etwa 15 Kilometer südlich von Baden gelegen, hatte der fast erblindete Meister mithilfe von Linsen- und Lupenapparaturen mit künstlerischer Intuition die mehr oder weniger makellosen Reproduktionen der Guldenscheine hergestellt.
Soweit zwei Persönlichkeiten, die sich noch als Gauner und Strizzis beschreiben lassen. Mit dem nächsten in der Reihe, dem Wagnermeister Gregor Bildstein (1782-1844), beginnen die Geschichten von Totschlag, Mord und anderen schweren Delikten, die man nicht mehr mit leichtem Schmunzeln liest.
Aus neuerer Zeit gehören dazu der durch den Fall Lucona in Erinnerung gebliebene Versicherungsbetrüger Udo Proksch (1934-2001), der sechs Menschenleben auf dem Gewissen hat, und Rainer Maria Warchalowsky (geb. 1948), der als 17jähriger Gymnasiast seinen Bruder und seine Eltern auf so grausame Weise ermordete, dass man sich die Details gerne erspart hätte.

Beyerls Darstellungen sind interessant, denn sie liefern ein gutes Bild der jeweiligen Zeit und des Umfeldes der beschriebenen Personen, schildern ihre Herkunft, ihren Lebensweg und ihre Verstrickung in die Straftaten. Viele Originaltexte aus Zeitungen geben lebendige Eindrücke von der Rezeption durch die Zeitgenossen und vom Ablauf der Gerichtsverfahren. Der Autor hat sich bemüht, die Krimi-interessierten Leser trotz der Tragik durch einen lockeren Schreibstil zu unterhalten.

Zu kritisieren ist aber die Wahl des Buchtitels, mit der die geschilderten Verbrechen verharmlost 
werden, um Käufer anzulocken. Geschürt werden Erwartungen in Assoziation an die Hamburger TV-Reihe ‚Die bösen Jungs vom Kiez‘, in der bekannte Zuhälter der 70er und 80er Jahre porträtiert wurden. Auch der deutsche Dichter und Zeichner Wilhelm Busch verwendete schon einen ähnlichen Titel in seiner Bildergeschichte ‚Diogenes und die bösen Buben von Korinth‘ (1864).