Engelmacherin: Eine Ehrenrettung

Der Boulevard liebte sie, die ‚Engelmacherinnen’ des 19. und 20. Jahrhunderts, denn sie garantierten seinen LeserInnen einen angenehm-wohligen Schauer. Sogar ins Wienerlied haben die illegalen Abtreiberinnen Eingang gefunden: 1957 beschrieben Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner in der ‚Alten Engelmacherin vom Diamantengrund’ anschaulich Tätigkeit und Probleme dieses Berufsstandes: ‚So manchem Mäderl, das in Not war, hat gerettet sie die Ehr,’ heißt es da, und weiter unten ‚Und war ihr Werkzeug einmal nicht ganz antiseptisch, dann machte sie statt einem Engerl zwei’.

 

Medien griffen bei der Verhaftung oder Verurteilung einer ‚Engelmacherin’ gerne in die Klischeekiste: Alt, dick, hässlich & gemein, und läßt aus ‚krimineller Geldgier’ so manches Mädchen sterben, das unverschuldet ins Unglück geraten ist.

 

Die Repräsentanten von Staat, Kirche und Ärzteschaft müssen zufrieden genickt haben über den augenfälligen Erfolg ihrer PR-Strategien. Zuerst hatten sie Verhütung und Abbruch ins kriminelle Abseits gedrängt, anschließend die ‚Nothelferinnen’ zu volksschädigenden Massenmörderinnen abgestempelt.

 

Seifenlauge und Stricknadeln

In Wahrheit machten die AbtreiberInnen ihre Sache gar nicht so schlecht: ohne Ausbildung, ohne spezielles Werkzeug und Hilfsmittel und in ständiger Furcht vor Entdeckung. Fließendes Wasser und gutes Licht gab es in ihren Wohnungen genau so wenig wie in denen der Kundschaft; medizinisches Abbruchbesteck war nicht entwickelt, denn der Abbruch wurde auch nicht in der Ausbildung der Gynäkologen gelehrt; außerdem wäre es bei Hausdurchsuchungen verräterisch gewesen. Daher musste mit ‚harmlosen’ Behelfen gearbeitet werden: Strick- und Häkelnadeln, aufgebogene Drahtkleiderbügel, konzentrierte Seife, die menschliches Gewebe schädigt .....

 

‚Engelmacherinnen’ waren in der Regel geschickt, oft selbst völlig mittellos, häufig hilfsbereit: „Sie hat viel Katastrophen verhindert, auch die Wohnungsnot hat sie oft gelindert.... Weil ihre Hilfe war für alle, und ihr Sinn fürs Soziale war beinah schon legendär.....“ sang Qualtinger.

 

Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, 1150 Wien, Mariahilfer Gürtel 37.

Geöffnet Mittwoch bis Sonntag 14 – 18 Uhr. www.muvs.org