Robert OFFNER, Hansgeorg von KILLYEN: Ungarländische Zöglinge und Studenten der Wiener Medizinisch-Chirurgischen Josephs-Akademie (Josephinum) 1775-1874

Wer in Kaiserin Maria Theresias Armee verwundet wurde, musste mit dem Tod oder zumindest mit lebenslanger Beschädigung rechnen, denn die Militär-Wundärzte, Chirurgen und Feldscher waren beinahe gefährlicher als der Feind. Ihre unzureichende Ausbildung hatten sie in Barbierstuben, bei Badern und Handwerkschirurgen erhalten, sowie für kurze Zeit in der ‚Schule der militärischen Wundarzney’ in Brüssel.


Maria Theresia (1717-1780)

Daher gründete die Kaiserin nach einem vernichtenden Gutachten über den Stand der militärärztlichen Versorgung im Jahr 1775 in Wien-Gumpendorf eine ‚Lehranstalt für die Behandlung der inneren Krankheiten und zur Erlernung der Militärarzneimittellehre’. Drei Jahre später war es allerdings um die militärärztliche Ausbildung nicht besser bestellt als zuvor, was teilweise auf die ‚zwischen Medikern und Chirurgen stets obwaltende Zwietracht’ zurückzuführen war. Maria Theresias Sohn Joseph II. reformierte die Ausbildung: Neue Räume, mehr Lehrkörper, ein verbessertes Curriculum und die Sammlung von anatomischen und geburtshilflichen Wachspräparaten aus Florenz, die als Anschauungs- und Unterrichtsmaterial dienten und noch heute als eine der besonderen Attraktionen des Wiener Medizinhistorischen Museums gelten. Doch der Kaiser starb bereits im Jahr 1790, wodurch die meisten seiner Reformen stecken blieben.


Auch weiterhin war die Entwicklung der Wiener Medizinisch-Chirurgischen Josephs-Akademie von Höhenflügen und Rückschlägen geprägt, die von der Einrichtung eines viel gerühmten ‚Operationsinstitutes zur möglichst vollkommensten und individuellsten Ausbildung der Zöglinge im Bereich der operativen Heilkunst’ mit berühmten Lehrern bis zu (vorübergehenden) Auflösungen führten. Massive Querschüsse kamen von der Universität, die sich gegen die ‚verhasste Nebenbuhlerin’ wehrte, was wohl als Beweis für die Exzellenz der ‚erlauchten Josephina’ gelten kann.


Das Josephinum auf der Währinger Strasse in Wien

In den 100 Jahren zwischen 1775 und 1874 studierten knapp 940 Männer aus dem Königreich Ungarn oder dem Großfürstentum Siebenbürgen für kürzere oder längere Zeit am Wiener Josephinum, damals die einzige militärmedizinische Bildungsanstalt ihrer Art im ganzen Habsburgerreich und eine der wenigen in Europa. Die Quellenlage bezüglich dieser Frequentanten, auf die die Autoren Robert Offner (Mediziner am Universitätsklinikum Regensburg) und Hansgeorg von Killyen (pensionierter Gymnasiallehrer) stießen, war äußerst heterogen. Teilweise gab es relativ vollständige Praktikantenkataloge, für andere Perioden mussten die Daten aus Nationalen, Curricula, Frequentantenlisten und Prüfungsprotokollen zusammengetragen werden.


Das entstandene Namensverzeichnis reicht von Nr. 1, Adamkovitz Michael aus Preßburg, römisch-katholisch, 24 Jahre, gestorben 1784, bis zur Nr. 939, Brajjer Cornelius aus Großbetschkerek, geb. 1846, der im Jahr 1871 an der Universität Wien promoviert wurde. Die Eintragungen sind nach Namen und Ort suchbar. Zusätzlich gibt es Auswertungen nach Jahren, regionaler Herkunft, Konfession und sozialem Hintergrund.


Einige prominente Hörer, Absolventen sowie Lehrer ungarländischer oder siebenbürgischer Herkunft werden etwas ausführlicher dargestellt, um den hohen Standard der Wiener militärärztlichen Bildungsanstalt zu unterstreichen. Auf sieben Seiten wird die Geschichte des Josephinums abgehandelt, sodass der Leser eine gute Einführung in das wechselvolle Schicksal dieser Institution bekommt. Die verwendeten Quellen sind detailliert angeführt, ebenso die Literatur.


Der Band ist zweigeteilt deutsch und ungarisch, lediglich die Studentenliste ist gemeinsam. Das hat für den deutschsprachigen Leser den Vorteil, gegebenenfalls ungarische Begriffe nachschlagen zu können, ohne Übersetzungsmaschinen zu bemühen. Trotzdem wäre ein Abkürzungsverzeichnis zu wünschen, um die ungarischen Eintragungen in der Studentenliste zu erläutern.


Für jeden, der sich aus familiären oder wissenschaftlichen Gründen mit dem Josephinum beschäftigt, wird dieser Band für sich wertvoll sein; für weitergehende Forschungen ist er sicherlich eine unverzichtbare Archivhilfe.

 

Band 18 der Reihe 'Der Universitätsbesuch ungarländischer Studierenden in der Neuzeit', herausgegeben von László Szögi Verlag der Universitätsbibliothek und des Universitätsarchivs ELTE, Budapest 2013, ISBN 978-963-284-230-1, Bezugsmöglichkeit über r.offner@t-online.de oder direkt aus der UB ELTE Budapest, 1053, Budapest, Ferenciek tere 6, info@lib.elte.hu, Preis noch nicht festgelegt


Meine Buchbesprechung erschien in den 'Wiener Geschichtsblättern', 2013, hrgg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien.