Newsletters, Buchautorin, Journalistin
Aufbau und Bearbeitung von Archiven und Sammlungen
Medizin in Wien. Spitäler und Apotheken im Wandel der Zeit.
„Wasserheilanstalt Bellevue“ in Wien-Hacking, „Säuglingsheim Dr. Krumhuber“ in der St. Veit-Gasse, „K.k. Sankt-Rochus-Spital“ in Penzing, „Sanatorium für Nervenkranke mit Ausschluss von Geisteskranken und Epileptikern“ in der Auhofstrasse in Hietzing, „Heilanstalt Svetlin“ in Erdberg …. Wer am historischen Gesundheitswesen Wiens interessiert ist, kommt bei diesem Schwerpunkt des vorliegenden Bandes voll auf seine Rechnung: Spitäler, Krankenhäuser, Kliniken, Sanatorien, Anstalten, viele davon gänzlich in Vergessenheit geraten, aufgelöst, abgerissen, andere übersiedelt, umgebaut, umbenannt, heute noch bestehend. Der Autor hat zum Teil nie gesehene Aufnahmen zusammengetragen, Gebäudefotos, Erinnerungsfotos der Spitalsbelegschaft, Blick in Krankenzimmer, Operationssituationen. Die zugehörigen Beschreibungstexte geben trotz aller Kürze genügend Informationen, um die erste Neugierde zu stillen und zu weiterer Beschäftigung einzuladen.
Das Buch erschien zum Tag der Wiener Bezirksmuseen, dessen Thema 2022 „Spitäler und Apotheken“ im Wandel der Zeit lautete. Der Tag der Bezirksmuseen wird seit dem Jahr 2007 begangen und hat den Zweck, den 23 Bezirksmuseen ein gemeinsames Thema vorzugeben, zu dem jedes seine lokalen Schwerpunkte darstellen kann.
Entsprechend werden neben den Spitälern viele Apotheken aus allen Bezirken Wiens präsentiert, von denen es Ende des 18. Jahrhunderts 15 gab, heute sind es 332 öffentliche und 13 Krankenhausapotheken. Die älteste ist die „Alte Feldapotheke“ am Wiener Stephansplatz, bereits im Jahr 1320 oder früher gegründet. Nette Aufnahmen und knappe Angaben zur jeweiligen Apothekengeschichte werden vor allem solche LeserInnen interessieren, die damit eigene Jugenderinnerungen oder Familienerzählungen verbinden können.
Über den lokalen Zugang hinaus ist der Blick auf die Namensgebungen der Apotheken interessant: Es dominiert die Verbindung zur (katholischen) Kirche: Beispielsweise Weißer Engel (1010), Schutzengel (1040, 1120, 1180, 1210), Heiliger Geist (1010), Guter Hirte (1020, 1230), Heilige Dreifaltigkeit (1040, 1150) etc. sowie ein großes Aufgebot an Heiligen: Beispielsweise Aegidius (1060), Anna (1090, 1120, 1210), Brigitta (1200), Florian (1040), Johanna (1080), Josef (1020, 1120, 1190), Paulus (1120) usw.
Auch Tiere sind vertreten: Adler (1030, 1150, 1160, 1180), Bär (1010, 1020), Hirsch (1010, 1070), Krebs (1010), Löwe (1080, 1090) und sogar ein leibhaftiges Einhorn (1040).
Angesichts der aktuellen Diskussionen sticht die „Mohren-Apotheke“ in der Wipplingerstrasse (1010) ins Auge, ursprünglicher Name „Zum schwarzen Äthiopier“. Der Name bezieht sich auf einen mittelalterlichen Mythos, der von einem äthiopischen Heiler berichtet. Man schrieb den „Mauren“ wundersame Heilkräfte zu.
Die Wiener Bezirksmuseen haben die Funktion, die Geschichte der einzelnen Bezirke wach zu halten, lokale Entwicklungen zu dokumentieren, ansässige oder abgewanderte AkteurInnen und Berühmtheiten zu würdigen, Verständnis für spezifische Schwerpunkte zu erzeugen und die Bindung der BewohnerInnen an „ihren“ Bezirk aufzubauen oder zu verstärken. Auch aktuelle Entwicklungen finden durchaus ihren Platz. All das leisten Ehrenamtliche mit wenig Geld, aber großem Einsatz, meist mit lokaler Verbundenheit und mit viel Herzblut. Diese Rahmenbedingungen und Zielsetzungen sind wichtig zu wissen, um die Intention des Autors zu verstehen und das Werk nicht enttäuscht zur Seite zu legen, sondern gerecht zu beurteilen. Der Autor des vorliegenden Bandes ist Historiker und Kustos im Bezirksmuseum Meidling und seit 2010 für die Begleitpublikationen zum Tag der Wiener Bezirksmuseen verantwortlich.
Bezirksmuseen werden trotz aller Anstrengungen häufig übersehen. Um dem entgegenzuwirken schlossen sich sich bereits in den ausgehenden 1970ern zu einer Arbeitsgemeinschaft für gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und gegenseitige Unterstützung zusammen. Nach wie vor mangelt es aber an finanziellem Spielraum, zunehmend ist es auch schwierig (ehrenamtliche) MitarbeiterInnen zu finden, die sich zu regelmäßiger Mitarbeit verpflichten wollen. Seit Anfang 2020 werden die Bezirksmuseen vom Wien Museum im Rahmen der Initiative Bezirksmuseen Reloaded von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler in strukturellen und inhaltlichen Belangen unterstützt, doch haben die Corona-Jahre den Intentionen sehr zugesetzt. Wie die Besucherzahlen des heurigen Jahres gezeigt haben, lässt der (Wieder-)Aufschwung noch auf sich warten, handelt es sich bei den BesucherInnen doch tendenziell um Ältere, die vorsichtig sind. So berichtet das Bezirksmuseum Wieden heuer von nur ca. 120 Gästen, von denen 50 an den beiden angebotenen Vorträgen teilnahmen. In der Josefstadt konnten 168 BesucherInnen begrüßt werden, davon nahmen 60 an einem Vortrag teil.
Um jedoch eine Vorstellung von den vielfältigen Möglichkeiten zu geben, seien zwei Beispiele herausgegriffen: Auf der Wieden wurden während der Vorbereitungszeit für die neue Dauerausstellung „Im Tröpferlbad - Geschichte(n) zu Gesundheit und Hygiene" Studierende der Kunstuniversitäten zu „Kunstinterventionen im Tröpferlbad“ eingeladen, die bei rund 600 BesucherInnen auf Interesse stießen.
Das erwähnte Bezirksmuseum Josefstadt konnte mit seiner Ausstellung „Von Schand und Noth gerettet. Findelhaus, Gebäranstalt und die Matriken der Alser Vorstadt“ trotz coronabedingten Unterbrechungen 2245 BesucherInnen anziehen. 74 Führungen wurden durchgeführt, 136 Jugendliche kamen im Rahmen von Schulausgängen, Anfragen von FamilienforscherInnen aus aller Welt zeigten das Interesse an der Thematik. Dank des Förderprogrammes der Stadt Wien konnte ein Curatorial Fellow mitarbeiten und es konnte ein Begleitband herausgebracht werden.
Hans Werner Bousska: Medizin in Wien. Spitäler und Apotheken im Wandel der Zeit. Erfurt: Sutton Verlag, 2022, 128 Seiten, 220 Abbildungen, ISBN 9783963033643, € 22,99.
Meine Buchbesprechung erschien in den 'Wiener Geschichtsblättern', 4/2022, hrgg. vom Verein für Geschichte der Stadt Wien.
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